Dinslakener Geschichte:
1833

Streit um die Ansiedlung einer Gerberei
 

 

Als sich ein junger Dinslakener Gerber 1833 selbstständig machen will, sorgt der Standort seines Betriebs heftige Auseinandersetzungen.

Bereits im Jahr 1412 bewilligte Graf Adolf von Kleve die Einrichtung eines Wollenamtes, einer Tuchmachergilde. Zur Ausübung, des Berufes gehört Wasser, besser noch ein Fließgewässer. Und das fanden die Tuchweber und Gerber mit dem Rotbach, von dem ein Seitenarm damals über den Altmarkt führte. Sie nutzten das kühle Nass berufsgemäß auf die verschiedenste Weise, die Tuchweber spülten ihre Baumwoll-Laken im sauberen Wasser, anders die Gerber. Die durften sich nur unterhalb der Tucherbetriebe ansiedeln, am Rande der Stadt flussabwärts. Denn ihre Abfälle verunreinigten das Wasser, werden beim Gerben doch rohe Tierhäute zu Leder verarbeitet. Dazu werden Gerbstoffen eingesetzt: Rinde, Wurzeln, Früchte oder Galle. Der Geruch muss, wohlwollend ausgedrückt, recht intensiv gewesen sein. Und sicherlich hat er auch früher die Menschen in der Umgebung gestört.

Auseinandersetzungen hierüber sind aber erst im 19. Jahrhundert in den Annalen verzeichnet. Drei Gerbereien gab es zu jener Zeit in Dinslaken: Moses in der Neustraße (Neustadt), Bleckmann und Borgemeister am Eppinghovener Tor. Auch von Essing ist die Rede. Inländische und ausländische Häute von hervorragender Qualität sollen dort verarbeitet worden sein, hieß es 1818. Es war Anfang 1833 als Liefmann Moses, der Vater des jungen Moses Moses, ein Gesuch an Bürgermeister te Peerdt richtete. Der Sohn war einst in die Fremde gegangen, um das Handwerk des Loh- und Weißgerbers zu erlernen. „Er war immer ein braver Sohn und hat den Conscriptionsgesetzen (Wehrgesetz) genügt. Er wünscht sich selbständig zu machen und eine Gerberei anzulegen." Vorgesehen war der väterliche Grund hinter dem Kloster, wo „der Luftzug nicht durch enge Bebauung gehindert ist, damit die Anlage nicht durch die Ausdünstung der tierischen Stoffe für die Gesundheit der hiesigen Eingesessenen nachteilig werden kann."

Das Grundstück grenzte an die der Witwen Brauer und Krussmann sowie des Webermeisters Dietrich Waldmann. Und die wollten eine stinkende Gerberei nun wirklich nicht in ihrer Nähe haben. Ungeziefer brächte die Lohgerberei mit sich, ekelhafte Schlangen vor allem, die einem die Arbeit im eigenen Garten verleideten und die Gartenfrüchte verderben, hieß es da in den Klageschriften. Und dann noch der bestialische Gestank. „Hier stand noch nie eine", schrieb die Witwe Haase genannt von Buggenhagen zu Geyer. „Der hinter dem Kloster befindliche Bach hat kein fließendes Wasser, nur Schlamm und Moder. Aus diesem Grund wird sich der Geruch um das Dreifache steigern und der Gesundheit schädlich sein." Bürgermeister te Peerdt verschiebt die Angelegenheit. Hätte er gewusst, was darauf folgte, wäre der Antrag des Moses sicherlich schneller durchgegangen. 

Die Gerberei Bleckmann, hier der Hinterhof, an der Eppinghovener/ Ecke Voerder Straße war eine von drei Gerbereien, die es im 19. Jahrhundert in Dinslaken gab. (Foto: Stadtarchiv/ Repro: Behrendt)

„Denn Moses schaltet den Landrat ein und bietet alternativ an, auf seinem Grundstück östlich vor der Stadt in einer luftfreien Gegend die Gerberei anzusiedeln", erzählt Stadtarchivarin Gisela Marzin in ihrer Broschüre „Faszinierende Geschichte(n) vom Wasser in Dinslaken". Dieses Anwesen stieß aber an die Grenze des te Peerdt'schen Grundstückes und damit war der Bürgermeister gar nicht einverstanden.

Bis hinauf in die Königliche Regierung ging das Verfahren, nachdem der Landrat die Genehmigung zur Ansiedlung einer Gerberei erteilte. Ein Jahr dauerte das Hin und Her. Was wäre dem Bürgermeister nicht alles erspart geblieben, hätte er dem ersten Antrag stattgegeben und nicht auf seine Wähler Rücksicht genommen.

vgl. BIRGIT GARGITTER, NRZ 29.12.2007