Dinslakener Geschichte


Die Evangelische Stadtkirche
 

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Pfarrbezirks in Zahlen

Aus der Chronik der Stadtkirche

Dinslaken in der Reformationszeit

Die reformierte Gemeinde

Die Lutheraner

Die Errichtung der Kirche
 

 

Foto: Hans Blossey 18.09.2019, www.blossey.eu
 

Barock in Dinslaken?

Ausgerechnet die reformierte Gemeinde, die ja eigentlich Kunst aus den Kirchen verbannen sollte, beauftragte zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Bauwerk, das samt seiner Innenausstattung bis heute ein barockes Schmuckstück im Herzen der Stadt ist: Die Ev. Stadtkirche, seit dem 2. November 1817 das Gotteshaus der vereinigten reformierten und lutherischen Gemeinden Dinslakens.

In schlichtem, aber doch voll und ganz charakteristisch ausgeformtem Barockstil hielt der italienische Architekt Bartolomeo Sala seinen Bauentwurf. Zur Innenausstattung gehörte vom ersten Tag an die Kanzel des Weseler Schreiners Teodoros Snoek. Die Felder des achteckigen Kanzelkorbs dekorierte er mit reichem Fruchtgehänge und den typischen barocken Muschelornamenten, die Kanzel steht auf einem ebenso barocken gedrehten Fuß.

Helles Metall, dunkles Holz

Eine harmonische Entsprechung findet die Kanzel auf der ihr gegenüberliegenden Orgelempore. Das Orgelprospekt, äußeres Gehäuse des Instruments, schwelgt in seiner dreiteiligen Gliederung mit geschwungenem, erhöhten Mittelteil und hervorbrechenden Seitenteilen ebenfalls in barocken Formen. Die seitlichen Konturen und die Einfassungen der Pfeifen sind in durchbrochenem Rankenwerk gehalten, das helle Metall der Orgelpfeifen erzeugt einen strahlenden Kontrast zum dunklen Holz. Man sieht es dem Instrument schon äußerlich an, welch festliche, himmlische Musik aus ihm herausbrechen möchte.

Bettina Schack, Auszug aus dem Artikel "Das barocke Orgelprospekt der Stadtkirche", NRZ 27.02.2021
 


Geschichte des Pfarrbezirks in Zahlen
 

1611

Gründung der Evangelischen Kirchengemeinde. Erst nach dem Westfälischen Frieden von 1648 war es Protestanten möglich, am Niederrhein Kirchen zu bauen.

1653

Bau der Stadtkirche als Gotteshaus der reformierten Gemeinde.

1717

Zerstörung der Kirche durch einen Brand in der Altstadt

1723

Einweihung der neuen Kirche nach Kollektenreisen in die Niederlande, nach England und an den Niederrhein.

1912

Das Gemeindehaus wird gebaut.

1913

Bau des Evangelischen Krankenhauses

1999

Die Stadtkirche muss aufgrund von Einsturzgefahr geschlossen werden, da die Balken von Turm und Kirchenschiff im Mauernwerk gefault sind.

2000

Die Sanierungsarbeiten werden abgeschlossen.


Aus der Chronik der Stadtkirche
 

Dinslaken in der Reformationszeit

Während die Altgläubigen eine dinglich-gegenständlich geprägte Heiligkeit hochschätzten, wie sie ihnen in den als heilig angesehenen Elementen der Liturgie begegnete (Brot und Wein, Weihwasser, Öl etc.), lehnten die Lutheraner derartiges ab. Sie favorisierten stattdessen eine stark personale Heiligkeit, die sich der getaufte Christ von Gott zusprechen lässt Maßgeblich war das Hören des Gotteswortes und seine Befolgung.

Das neugläubige Verständnis von Heiligkeit sah das Heil eines Gemeinwesens davon abhängig, dass das Wort Gottes verkündigt wird, dass die Menschen es gläubig annehmen und im Gehorsam befolgen; eine ausgleichende „Ersatzinstanz“ für eigene Schwächen im Bereich des Religions- und Soziallebens (Heilige als Fürsprecher) entfiel ebenso wie eine von ausgleichend-heiligen Mittlerinstanzen abhängige Charakterisierung heiliger Orte.

Mit Blick auf ein Heiligkeit spendendes “Verbindungsglied“ zwischen Himmel und Erde unterschieden sich die Sakralisierungskonzepte von Katholiken und Lutheranern deutlich voneinander. Fraglos sahen die Altgläubigen die Heiligkeit der Stadtgemeinschaft darin begründet, dass sie immer wieder in die himmlische Liturgie einstimmten. Während die Lutheraner das Medium der Verbindung zwischen Himmel und Erde vor allem im göttlichen Wort sahen, welches - ihrer Überzeugung nach - im Himmel und auf Erden gleichermaßen erklingt und angenommen werden will. Die Nähe zum Himmel begründete sich in dem ihnen himmlisch geschenkten und gläubig-tätig zu befolgenden Wort Gottes in der Heiligen Schrift.



Die Klever Herzöge schwankten lange zwischen der alten und neuen Lehre hin und her. Johann III. blieb zunächst katholisch. Bei Herzog Wilhelm trat die Scheu vor einer festen Stellungnahme in dem religiösen Streit und das Bestreben zu vermitteln noch mehr zu Tage. Er näherte sich dabei der evangelischen Partei. In den letzten Jahren feiner Regierung neigte er wieder dem katholischen Bekenntnis zu. Unter Johann Wilhelm bekam die evangelische Bewegung freien Spielraum. Aber es dauerte lange, ehe es zu einer Scheidung der Gemeinden kam. Viele Jahre wurde in manchen Kirchen die neue neben der alten Lehre vorgetragen, aus demselben Becken katholisch und reformiert getauft. Das stellenweise friedliche Zusammenleben der religiösen Parteien änderte sich erst unter dem Einfluss des spanisch-niederländischen Krieges. Viel Verwirrung brachten auch die Wiedertäufer und Bilderstürmer.
 

Auch in Dinslaken trat ein Wiedertäufer auf, Johann Willmsen, ein Holländer, der viel Unruhe stiftete. Willmsen wurde 1574 in Dinslaken verhaftet, nach Kleve abgeliefert und dort vor ein Gericht gestellt und gefoltert.
 

"Es hat aber dieser elender Mensch seinen verordneten Richtern, ehe er alles bekennen wollen, viel zu schaffen gemacht, also auch, daß seinetwegen der Eisernen Halsband, welcher allnoch zu Kleve vorhanden, verfertigt worden, durch welches mittel (weilen es Ihm wegen Größe der pein Den schlaff benohmen) eine unzählige Zahl aller feiner Laster und missethaten bekannt, auch mit seiner eigenen Hand im protocollo, so noch fürhanden, unterschrieben".
 

Bereits 1548/49 wird unter den Gebieten, in denen die Reformation Eingang gefunden hat, auch das Amt Dinslaken genannt. Der Protestantismus spaltete sich in mehrere Richtungen, zwei davon fassten auch in Dinslaken Fuß: die Reformierten und die Lutheraner.

 

Die reformierte Gemeinde

 

Die erste Kunde von dem Dasein einer reformierten Gemeinde erhalten wir aus dem Protokoll der klevischen Synode vom Jahre 1603, in dem man auf Anregung der Weseler Abgeordneten bestimmte, das unter anderen auch die Kirche zu Dinslaken zur »klassischen Versammlung« berufen werden sollte. Da noch eine geeignete Kirche fehlte, versuchte am 29. Dezember 1610 Henrikus Kopius, reformierter Prediger in Wesel, sich gewaltsam in den Besitz der Dinslakener katholischen Kirche zu setzen. Der Rat der Stadt trat zusammen. Kopius erhielt eine abschlägige scharfe Antwort und musste mit dem Rentmeister Johann van Diepenbruch die Stadt am nächsten Tage verlassen.

 

Schließlich erhielten die Reformierten auf dem Dinslakener Kastell einen Saal zugewiesen, wo sie bis 1614 ihre Gottesdienste abhalten konnten. In diesem Jahre nahmen die Spanier unter Marquis Spinola die Stadt ein, und die Räumlichkeiten des Kastells wurden restlos mit spanischem Kriegsvolk belegt. Während der spanischen Besatzungszeit wurde bei einem gewissen Adam Reiners in der Stube und Im Hof gepredigt.

 

 


1626 konnten die Reformierten nach dem Abzuge der Spanier wieder ihren Saal auf dem Kastell in Anspruch nehmen. 1653 bauten sie sich schließlich dort, wo heute die evangelische Stadtkirche steht eine eigene Kirche. Die Mittel zum Neubau verschaffte sich der Prediger Johann Jakob Desloch auf Kollektenreisen in England und Holland. Am 30. April 1717 brannte diese Kirche ab, wobei nur die Mauern stehen blieben. Erst sechs Jahre später, am 7. März 1723, konnte die Kirche wieder eingeweiht werben.

 

In den Jahrzehnten nach dem Abzug der Spanier hatten sich die Gemüter merklich beruhigt. Und wie in einer alten Chronik zu lesen "ist ihnen (den Reformierten) aber von den katholischen Einwohnern der Stadt in ihrem Predigtamt niemals einige Turbation geschehen, sondern haben in fried und einigkeit mit einander gelebt."

Die Lutheraner

 

Die lutherische Gemeinde wurde erst am 23. Januar 1611 in Dinslaken öffentlich begründet. An diesem Tage hielt der erste lutherische Pfarrer Johann Scheffer aus dem Waldeckschen seine Antrittspredigt In der vom Magistrat der neuen Gemeinde überlassenen Hospital- oder Gasthauskirche. Das Gebäude wurde im Jahre 1817 wegen Baufälligkeit zum Abbruch verkauft. Sie hat neben dem alten Bürgermeisteramt gestanden.

 

Schon im Gründungsjahr 1611 wurde die erste Generalsynode der lutherischen Gemeinden des Herzogtums Kleve in Dinslaken abgehalten. Herzog Wolfgang Wilhelm hatte sie selbst in Düsseldorf ausgeschrieben.

 

 

 

 

Am 2. November, dem Reformationstage, 1817 wurde schließlich die Vereinigung der reformierten und lutherischen Gemeinden beschlossen und auch durchgeführt.

Die Errichtung der Kirche

 

Nachdem die reformierten Gemeinden am Niederrhein 1648 das Recht zur freien Religionsausübung erhalten hatten, begannen sie Kirchen zu bauen. Auf den Turm der Gotteshäuser setzten sie statt des Hahnes und manchmal auch des Kreuzes als Zeichen durchkämpfter Glaubensnot und bewahrter Gemeinschaft gerne den Engel mit der Posaune, auch mit Bezug auf den niederländischen Glaubenskampf „Geusendaniel“ genannt. Ein solcher befindet sich auch bis heute auf der Stadtkirche; wenn auch nur als kleine Wetterfahne am Ende des Dachfirstes. Dieses Symbol ist verbunden mit dem Bibeltext, Offenbarung 14,6 f.: „Und ich sah einen Engel, der ein ewiges Evangelium an die Bewohner dieser Erde zu verkünden hatte, und er sprach mit lauter Stimme: Fürchte Gott und gebet ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen.“ Zu dieser Botschaft bekannte sich auch die Dinslakener reformierte Gemeinde, als sie 1722 über dem Portal der zum zweitenmal errichteten Kirche das einladende, mahnende Wort setzte: „Gehe durch mich in Gottes Haus in der Furcht des Herrn ein und aus.“

 

Im Jahre 1717 fiel die im Jahre 1653 von der reformierten Gemeinde errichtete erste Kirche einem Brand zum Opfer. Mit ihr verbrannten 10 umliegenden Häusern und Scheunen. Auch das Pfarrhaus war seinerzeit ein Raub der Flammen geworden.

 

Die heutige Kirche hat eine dramatische Baugeschichte. Bartolomeo Sala trug nicht die Schuld daran, dass der Turm der Kirche einstürzte, bevor er überhaupt fertig war. Sala war der Architekt, der 1720 die Pläne für einen Neubau lieferte. Sala war ein wandernder Architekt, einer der begabten Italiener, die sich auf einen harmonischen, schlichten Barockstil verstanden. Den Herren Presbytern waren die Pläne des Herrn Sala aber zu aufwendig. Im Protokoll steht: "den Herren zu hoch geloffen". Zimmermeister, Bauleiter und Bauunternehmer wollten es billiger machen, und prompt stürzte der Turm zusammen. Zum Glück wurde niemand verletzt. Sala musste wieder herkommen und neue Pläne machen. Aber die Sünden der Pfuscher stecken immer noch im alten Gemäuer. Schon 1859 wurden Stimmen laut, die den Abbruch der Kirche forderten. In den folgenden Jahren waren mehrfach Generalüberholungen fällig.

 

 

Im Jahre 1904 wurde „in Durchbrechung des reformierten Prinzips“ die Sakristei angebaut.

 

In früheren Zeiten war es üblich, dass die verstorbenen Gemeindemitglieder auf dem Kirchhof beerdigt wurden. Mit Anlegung des ersten Kommunalfriedhofs am Neutor wurde im Jahre 1818 im Zuge des allgemeinen staatlichen Verbotes, innerhalb der Stadt zu beerdigen, auch die Neubelegung des Gemeindefriedhofs im Schatten der Kirche eingestellt. 1973 wurde der Friedhof im Zuge des Ausbaus von Brück- und Duisburger Straße eingeebnet.

 

Die in den Jahren 2000/01 durchgeführten umfangreichen Renovierungsarbeiten lassen hoffen, dass uns die Kirche noch für lange Zeit erhalten bleibt.

 

  Zeichnung: Hein Hoppmann

um 1951