Dinslakener Geschichte 1938


1938 Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Dinslaken
 

Im Oktober 1810 hat die jüdische Gemeinde die bereits zerfallene ehemalige Kirche des Augustinerinnen-Klosters Marienkamp aufgekauft und zur Synagoge instand gesetzt. Gleichzeitig mit der Synagoge richtete die jüdische Gemeinde eine eigene Elementarschule als Privatschule ein. Diese Schule wurde am 27. Mai 1879 in eine öffentliche Schule umgewandelt. Die dritte bedeutende Sozialeinrichtung der großen jüdischen Gemeinde war aus heutiger Sicht das Waisenhaus in der Neustraße.

Das israelitische Waisenhaus wurde am 1. März 1885 von Lehrer Leopold Wormser gegründet. Wormser, geb. am 8.11.1855 zu Gersfeld - Röhn, war Sohn des letzten Bezirksrabbiners von Gersfeld, Samuel Wormser. Zur Unterbringung der Waisen wurde das Patrizierhaus an der Neustrasse 43 für 18 000 DM vom Justizrat Voßwinkel erworben. Als Käufer trat im Kaufvertrag, der am 6. März 85 unterschrieben wurde, Simon Jakobs auf. Mit ihm zusammen bildeten die Dinslakener Bürger S. Bernhard, M. S. Moses, David Harf, L. J. Elkan und Leopold Wormser ein „Lokal-Kommitee", das den Standort Dinslaken u. a. wie folgt begründete: „... Als Ort dafür wurde Dinslaken gewählt, in dem die Verhältnisse dieses Platzes wertvolle Garantien für eine einfache, gediegene sittliche und religiöse Erziehung bieten, um aus den Pfleglingen tüchtige Menschen heraus zu bilden und auch die Unterhaltungskosten sich bedeutend niedriger stellen, als wie es in einer größeren Stadt möglich ist."

Im Waisenhaus fanden zunächst durchschnittlich 15 Kinder ein Zuhause. Später wuchs die Zahl auf ca. 30. Seit 1930 stiegen die Belegungszahlen stark an, Kinder aus allen Teilen Deutschlands kamen, wenn auch die nahen Großstädte die stärksten Kontingente stellten.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten beginnt 1933 eine der dunkelsten Kapitel Deutscher Geschichte: die systematische Unterdrückung der jüdischen Bevölkerung, die für Viele mit dem Tod endete. Die Diskriminierung und Entrechtung der Juden erreicht beim Novemberpogrom 1938 ihren schmerzlichen Höhepunkt.

Am Morgen des 10. November 1938 war jener furchtbare Tag in der Dinslakener Geschichte. Auf Goebbels Gebot wurden die jüdischen Geschäfte zerstört und geplündert, die jüdische Mitbürger auf der Straße geschlagen, die Kinder aus jüdischen Waisenhaus verbannt und die jüdischen Synagoge in Brand gesteckt.

Sophoni Herz, damals Erzieher im Haus, schildert in seiner Schrift „Kristallnacht im Dinslakener Waisenhaus" die systematische Zerstörungsarbeit von Schlägertrupps der Nazis. In einer Art Spießrutenlaufen musste er seine Kinder durch eine dicht gedrängte Menge von neugierigen Zuschauern in ein kleines „Internierungslager" führen, eine nahe gelegene Schule.

S. Herz gelang es, die Kinder zunächst nach Köln zu bringen und dann ihre Auswanderung nach Holland und Belgien zu betreiben. Weitere Einzelheiten über das Schicksal der Waisenkinder sind uns nicht bekannt. Es sei daran erinnert, dass später auch in Holland und Belgien durch die deutschen Besatzungsbehörden systematisch jüdische Menschen verhaftet und in die Vernichtungslager nach Auschwitz, Dachau und andere abtransportiert wurden.

Während in Dinslaken die Synagoge und einige Häuser in der Nähe abbrannten, blieb das Waisenhaus äußerlich unversehrt.

In der Neustraße im Bereich der Passage zum Rutenwallweg erinnert seit 1981 ein Gedenkstein an das ehemalige jüdische Waisenhaus.

An die ehemalige Jüdische Synagoge erinnert eine Gedenktafel in der Klosterstraße, angebracht an den Eckhaus Friedrich-Ebert-/Klosterstraße.

An die Vertreibung der Juden erinnert seit 1993 eine von dem Dinslakener Künstler Alfred Grimm geschaffene Skulptur in der Grünanlage vor dem Rathaus. Mahnsteine erinnern an jüdisches Leben in der Stadt.

Die sogenannten Stolpersteine - kleine Gedenktafeln, die ins Straßenpflaster eingelassen sind - des Kölner Künstler Gunter Demnig erinnern ebenfalls an das ehemals jüdische Leben in Dinslaken.

Jüdisches Leben in Dinslaken
vom Mittelalter bis 1938

Ein Referat  von Pfr. i.R. Sepp Aschenbach,
Vorsitzender des Heimatvereins Eppinghoven

Synagoge

Waisenhaus