Reise in die Vergangenheit - Bürger in historischen Gewändern

 



 

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Im August 2009, während der Nostalgie-Kirmes, wurden sie zum ersten Mal gesichtet: Männer und Frauen in historischen Gewändern, die einen Hauch aus vergangenen Tagen in die Dinslakener Altstadt brachten.

Was steckt dahinter?

Vorbild ist das Dickens Festival in Deventer.

Liebenswert und schrullig sind sie, die Figuren aus den Romanen von Charles Dickens. Ebenezer Scrooge, der kleine Tim, Oliver Twist und David Copperfield, um nur einige der Bekanntesten zu nennen. Zu jeder Weihnacht hauchen ihnen die Bürger der niederländischen Stadt Deventer Leben ein. Inzwischen, nach rund 19 Jahren, ziehen gut 700 Bürger, Alt und Jung, durch die mittelalterlichen Gassen, treten als Dickens-Figuren auf oder bilden einfach das große Heer der Menschen des 19. Jahrhunderts.

An jedem letzten Adventswochenende findet ein Charles-Dickens-Festival statt, an dem sich zu Ehren des englischen Schriftstellers die komplette Altstadt beteiligt. Wohnungen werden leer geräumt und zu Cafés umgearbeitet, Straßen gesperrt, die kleinen Geschäfte ganz auf Dickens umgestaltet. In den Fenstern der Wohnhäuser sitzen alte Leute, winken in den Trachten der damaligen Zeit den Besuchern zu und genießen ihren Kaffee oder Tee. Anzutreffen sind neben den bekannten Dickens-Romanfiguren auch ganz normale Leute der damaligen Zeit wie Handwerker, Bierkutscher, Sträflinge oder Straßenkehrer. Sogar eine Queen Victoria wird in einer Sänfte durch die Straßen der Altstadt getragen.

Ein Spektakel, das Stadtführerin Beate Hettmer und Historienspiel-Entwicklerin Birgit Gargitter im Jahre 2008 begeisterte und zum Träumen anregte. „So etwas müssen wir in Dinslaken installieren", war Beate Hettmer schon auf der Heimfahrt von Deventer ans Planen gegangen. Doch will solch ein Spektakel gründlich durchdacht werden, Mitstreiter müssen gefunden werden. Kein allzu großes Problem, denn wer wäre besser geeignet als Nachtwächter Eduard Sachtje, Museumspädagogin Cordula Hamelmann, Archivarin Gisela Marzin und die IG Altstadt-Mitglieder Ulrich Tekathen, Erich Weichert sowie Wolfgang Krüsmann.

Schnell war man sich darüber einig, dass in Dinslaken keine Kopie des Dickens Festivals stattfinden sollte. Denn die Vergangenheit der Stadt hat selbst so einiges an Persönlichkeiten zu bieten.

 

Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte:

Melchior Julius von Buggenhagen

Betty Tendering

Karoline Wedding

Valerie Isabella Degener, verheiratete Voswinckel

Marie Ingenohl, verheiratete Althoff

Margarete Böing

 

Sonstige historische Gestalten:

Kiepenkerl

Ernesto Salzmann, ein Lebemann

Schwester Maria Gloriosa

Drehorgelspieler, Leierkastenmann

Droschkenkutscher

Männer und Frauen der Gesellschaft

Melchior Julius von Buggenhagen

Stolz über die Bürger und das Geschehen blickend, steht Melchior Julius von Buggenhagen auf seinen schwarzen Gehstock gelehnt. "Damals war es hier noch ländlich, bürgerlich, und die Kinder waren auch noch gut erzogen", erzählt der Stadtführer Eduard Sachtje, der den ehemaligen Dinslakener Bürgermeister repräsentiert. "Damals war die bessere Zeit. Nicht nur wegen der Gelassenheit der Bürger, sondern weil ich damals noch jemand war. Vermisst habe ich damals eine Kanalisation und etwas Sauberkeit. Zu meiner Zeit wurde der ganze Dreck einfach in den Rotbach oder auf die Straße gekippt. Da konnte man nicht einfach mit guten Schuhen über die Neustraße spazieren."

 

 

 

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Betty Tendering

Aufrecht und mit Bedacht geht Betty Tendering über den Altmarktplatz in Dinslaken bietet. Von Kopf bis Fuß trägt sie schwarz. Die Bluse ist bis zum Hals zugeknöpft, der Rock fällt ihr bis über die Knöchel und ihr schwarzes Haar ist zu einem Knoten zusammengebunden. "Das Leben ist so hektisch. Ich habe große Schwierigkeiten, Schritt zu halten und den Menschen in ihrer Entwicklung zu folgen", sagt Ingrid Hassmann von der Frauengeschichtswerkstadt in Voerde in ihrer Rolle als Betty Tendering.

"Zum Glück sind einige schöne, historische Bauten in der Altstadt noch erhalten geblieben. Jedoch bin ich verwundert über so viele moderne Gebäude, die mir völlig fremd sind", erzählt sie. "Damals war ich vermehrt mit der Kutsche unterwegs und unternahm viele Reisen nach Rom und Berlin", erinnert sich Betty Tendering, die in Götterswickerhamm auf Haus Ahr von 1831 bis 1902 lebte. Heute sei alles anders. Es herrsche viel Verkehr und Hektik. Allerdings sei das Leben in Dinslaken damals wesentlich härter gewesen. "Ich hatte keinen Komfort und keinen Luxus. Mir fehlten materielle Dinge, die ich heute zur Verfügung gehabt hätte und schätzen würde. In der heutigen Zeit würde mir aber die Herzlichkeit, die Verbundenheit und die Nähe zwischen den Menschen fehlen. Heute scheint die Gesellschaft zwar immer noch freundlich und offen. Doch die Menschen sind unpersönlich und ungemütlich." Sie schrieb einige tiefsinnige Briefe an Georg Weerth.

 

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Karoline Wedding

Tief gebeugt steht die arme Witwe Karoline Wedding mit ihren nunmehr 82 Lenzen über ihren Waschzuber.  „Die Hinterbliebenenversorgung war damals ein großes Problem. Bis ins hohe Alter musste man für sein tägliches Brot arbeiten,“ weiß Ruth Wendt zu berichten.

 

Kiepenkerl

Kiepenkerle wurden umherziehende Händler genannt, die zum Fahrenden Volk gehörten. Sie brachten Nahrungsmittel wie Eier, Milchprodukte und Geflügel in die Städte und versorgten im Gegenzug die ländlichen Gebiete mit Salz, Nachrichten und anderen Waren.

„Der Name leitet sich von der Kiepe ab, einer aus Holz und Korbgeflecht bestehenden Rückentrage, mit der die Kiepenkerle durch die Dörfer und Städte wanderten,“ erzählt Erich Weichert. Zur traditionellen Tracht der Kiepenkerle gehören neben der Kiepe eine Mütze, Pfeife, blauer Leinenkittel, Wanderstab und Holzschuhe

 

Ernesto Salzmann, ein Lebemann

„Er ließ sich von seiner Familie sein Erbe auszahlen und wanderte in Richtung Buenos Aires aus,“ weiß der Vorsitzende der IG-Altstadt, Dr. Ulrich Tekathen zu berichten. Jetzt ist er aus  Südamerika zurück-gekehrt. Ist er scharf aufs Erbe? Seinen Anteil hat er nämlich längst durchgebracht.

Valerie Isabella Degener,
verheiratete Voswinckel

Die Museumspädagogin des Voswinckelshofs, Cordula Hamelmann, setzt sich geschickt als Valerie Isabella Degener, verheiratete Voswinckel, in Szene und erzählt Besuchern der Kirmes von der Offenheit und dem Traditionsbewusstsein der Menschen, die zu ihrer Zeit zwischen 1870 und 1946 lebten. "Ich hätte mir neben einer besseren Ausstattung für das Badezimmer und einer größeren Vielfalt an Lebensmitteln auch schnellere Verkehrswege gewünscht", sagt sie. "Aber wohin sind eigentlich all die Dienstmädchen und das Küchenpersonal verschwunden. Darauf könnte ich heute auf keinen Fall verzichten."

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Marie Ottilie Ingenohl
verheiratete Althoff

„Sie ging 1864 mit Friedrich Althoff die Ehe ein. Die Ehe verlief harmonisch, blieb jedoch kinderlos,“ erzählt Stadtführerin Beate Hettmer. 

 

 

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Margarete Böing

Stadtarchivarin Gisela Marzin schlüpft in die Rolle der Margarete Böing, die ihre Ferien regelmäßig in Dinslaken, im Haus ihres Onkels Wilhelm verbrachte. Sie schrieb mehrere Romane u.a. der "Kämpfer". Darin schilderte sie das Leben der Menschen in der Kleinstadt Dinslaken.

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Schwester Maria Gloriosa

ist nicht in Zivil unterwegs, sondern mit einer schwarzen Tunica und einem ,Velan', einem schwarzen Schleier, bekleidet. "Dinslaken ist lebendiger, lockerer und freier geworden", erzählt Schwester Maria, hinter der sich Ruth Wendt verbirgt. "Hier und jetzt komme ich mir verwandelt vor, denn diese Zeit ist geprägt von der Lockerheit aber auch von der Hektik der Menschen", schildert sie. Allerdings sei die freizügige Art der Kleidung, wie sie heute getragen werde, ungeheuerlich. "Ich als Schwester Maria Gloriosa hätte nicht gerne im 21. Jahrhundert gelebt. Heute arbeiten die Menschen nicht mehr um Gottes Willen, sondern alles muss bezahlt werden. Früher war man zufrieden, wenn man anderen Menschen helfen konnte", erklärt die Nonne.

 

 

Drehorgelspieler, Leierkastenmann

Regelmäßig, alle zwei Wochen, kam ein einbeiniger Mann in das Dorf im Westerwald, verdiente sich seinen kärglichen Lohn mit Gesang und manchmal als Ausrufer. Den kleinen Ulrich Sagel faszinierte dieser Mann, zog ihn mit seinen Liedern und Schlagern in den Bann. Aus dem kleinen Jungen ist ein gestandener Mann, ein evangelische Pfarrer geworden, der sich vor ein paar Jahren eine Drehorgel zulegte und nun, wo immer er eingeladen wird, für ein paar Groschen spielt.

Seiner Orgel hat zwei Registern mit 26 Pfeifen und läuft über Lochbänder. Das Prinzip haben sich die Orgelbauer von Webmustern abgeguckt, wie Ulrich Sagel erzählt. Und er weiß noch mehr kleine Geschichten rund um sein Instrument. Zum Beispiel diese: Friedrich der Zweite war pleite und bezahlte seine Veteranen mit einer solchen Orgel.

Mit seiner Fantasieuniform will Sagel an die vergangene Geschichte erinnern.

Wie die nebenstehenden Bilder zeigen, ist Pfr. Ulrich Sagel nicht der Einzige, der Freude am Leierkasten hat.

 

 

Droschkenkutscher

Der Kutscher, dargestellt von Wolfgang Krüsmann ist der Lenker eines Pferdewagens oder einer Kutsche. Dieser Begriff steht für den Lenker aller Arten von Kutschen (Personen, Post und andere Waren). Bis zur Einführung des Kraftfahrzeugs verstand man unter dem Kutscher vor allem den im häuslichen Dienst stehenden Chauffeur. In wohlhabenden Häusern gab es Angestellte, die nur als Kutscher dienten. In den bescheideneren Haushalten war der Kutscher oftmals zugleich der Pferdewirt bzw. Stallknecht.

Wer auf sich hielt und es sich leisten konnte fuhr damals mit der Pferde-Droschke, einer leichten, offenen, gefederten Kutsche für eine oder zwei Personen. Das Pferde-Taxi des 19. Jahrhunderts. Der Kutscher war der Fahrzeuglenker und hatte sich auch um Pferd und Wagen zu kümmern. Da man vornehme und „gut betuchte“ Herrschaften transportierte, musste auch der Kutscher angemessen gekleidet sein. Als Obergewand trug man einen Kutschermantel, einen Umhang mit Pelerine, einem kurzen Schulterumhang, der nur die Schultern und Oberarme bedeckt. Der Mantel schützte vor Wind und Wetter und natürlich auch vor Regen, wenn die Herrschaften eingekehrt waren und der Kutscher bei Pferd und Wagen im Freien warten musste.

Als der deutsche Erfinder Carl Benz in den Jahren 1894–1902 als erster ein Automobil in Serie herstellte, verdrängten die Kraftdroschken in zunehmendem Maße die Pferdedroschken. Im gleichen Maße verschwand auch der Droschkenkutscher aus dem Bild der Öffentlichkeit.

 

Männer und Frauen der Gesellschaft